Einfluss von Corona auf die zwischenmenschlichen Beziehungen und Kommunikation weltweit.

Was sich zunächst als unwahr und vorübergehend abgezeichnet hat, hat unseren Alltag, unsere Gewohnheiten und unsere Einstellungen verändert.

Einfluss von Corona auf die zwischenmenschlichen Beziehungen und Kommunikation weltweit.

Was sich zunächst als unwahr und vorübergehend abgezeichnet hat, hat unseren Alltag, unsere Gewohnheiten und unsere Einstellungen verändert.

Was sich zunächst als unwahr und vorübergehend abgezeichnet hat, hat unseren Alltag, unsere Gewohnheiten und unsere Einstellungen verändert. Und zwar weltweit, von Japan bis in die USA, vom hohen Norden bis nach Südafrika. Inwiefern die Konsequenzen der Pandemie nachhaltig sind, wird sich erst mit der Zeit herausstellen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist zumindest deutlich geworden, dass einige Tendenzen Länder- und Kultur übergreifend sind.

Diese lassen sich gut am bekannten Kulturmodell veranschaulichen. Die Kulturzwiebel von Geert Hofstede nutzt man vor allem dann, wenn man eine fremde Kultur besser verstehen möchte, denn es ermöglicht eine bildhafte Darstellung eines komplexen und ziemlich diffusen kulturellen Systems.

Die Corona-Zwiebel soll ausnahmsweise nach gemeinsamen und kulturunabhängigen Symbolen, Helden, Ritualen, Praktiken und sogar Werten in Corona Zeit suchen. Die äußere Schicht ist gut sichtbar und „offensichtlich“. In diesem Fall sind es Symbole, die während der Pandemie überall zu sehen sind und von Repräsentanten unterschiedlicher Kulturkreise gleich erkannt und interpretiert werden. Masken, Handschuhe, Toilettenpapier*, Verbotsschilder…

Zu Helden – allgemeinanerkannten Verhaltensvorbildern – zählen in Corona Zeiten Ärzte, Wissenschaftler oder gleich mehrere Berufe, die als „systemrelevant“ bezeichnet werden. Helden sind aber zurzeit auch die eigenen Nachbarn oder freiwillige Helfer. „Helden“ sind auch Erzieher und Lehrer, Müllentsorger, Bäcker und Polizisten. In einigen Ländern wie z.B. in Kenya ist ein solcher Held der ex-Millionär und Safari-Unternehmer Pakaj Shah, der zusammen mit seinen 250 Mitarbeitern für 24000 Familien in Slams Überlebenspakete packt und sich Sorgen macht, dass er damit nur weniger als 10% der tatsächlich Bedürftigen helfen kann. Denn Corona zeigt auch ganz extreme soziale Ungleichheit und diese ebenfalls flächendeckend.

Hofstede beschreibt Rituale als „kollektive Tätigkeiten, die für das Erreichen der angestrebten Ziele eigentlich überflüssig sind, innerhalb einer Kultur aber als sozial notwendig gelten.“ Unsere Begrüßungsrituale haben sich geändert. Das, was früher befremdlich oder exotisch wirkte (Namaste-Geste, Vorbeugen, Abstand halten) hat sich an Stelle vom Küsschen und Handschlag bewährt. Neue Gestik wie Augenzwinkern, Ellenbogen- und Fußberührungen ist momentan allgemein gültig.

Überhaupt kommunizieren wir nonverbal viel mehr mit den Augen, oder ausschließlich mit den Augen, wenn wir „maskiert“ durch die Gegend laufen. Zu den schönen Ritualen zählen neuerdings Balkonkonzerte, gemeinsames Musizieren mit den Nachbarn oder Händeklatschen als Geste der Dankbarkeit und Anerkennung vielen Ärzten und Helfern gegenüber. Und das ebenfalls weltweit.

Wenn man als gläubiger Christ oder Muslim die Pilgerfahrten dieses Jahr oder die gemeinsamen Feiern von Ostern und täglichen abendlichen Treffen während der Ramadan Zeit vermisste, schaffte man sich Alternativen in Form von „iftar to go“ oder Live Übertragungen aus dem Petersdom.

Unter Praktiken lassen sich die 3 Zwiebel-Schichten (Symbole, Helden, Rituale) gut zusammenfassen. Sie sind sichtbar und zugänglich. Sogar Personen, die nicht dem eigenen Kulturkreis angehören, können diese Praktiken nachahmen, ohne allerdings die Bedeutung hinter diesen Handlungen tiefgründig zu verstehen.

Die meisten Menschen in der Corona Zeit halten sich an die Regeln und praktizieren nun mit einander Abstand zu halten, sich desinfizieren oder sich die Temperatur messen lassen. Auch bei Demonstrationen versuchen die Protestierenden für Ihre Rechte zu kämpfen, ohne sich selbst und die anderen zu gefährden. Denn in vielen menschlichen Grundrechten sind wir zurzeit ziemlich eingeschränkt. Vieles wird akzeptiert, einiges geht offensichtlich den kritischen Mitbürgern zu weit.

Das zeigt uns auch, dass physische Distanz auf keinen Fall mit sozialer Distanz verwechselt werden sollte. Wir halten physischen Abstand aber wir halten zusammen!

Kreativität blüht gleichzeitig auf! Aus der Not heraus entstehen interessante Lösungen. Man hilft sich und den anderen. Zwar oft auf Distanz (Homeschooling, Zoom Konferenzen, online Teammeetings), was bei vielen bald ein Gefühl der Übersättigung und schnellen Ermüdens hervorruft, doch funktionieren Dinge eben auch auf Entfernung. Ersatzrituale hat man ebenfalls erschaffen. Vieles online und doch persönlich: «apéro skype ce soir?» Franzosen wollen nicht auf ihr tägliches Apero verzichten und so trifft man sich virtuell zu Skype Apero. Man treibt Sport, kocht, lacht und spricht täglich mit der Oma, alles vor dem Bildschirm.

Physical distancing. Image created by Samuel Rodriguez. Submitted for United Nations Global Call Out To Creatives - help stop the spread of COVID-19.

Alexander Thomas versteht Kultur als mentale Programmierung, als eine Orientierungsachse innerhalb der Kultur, die aus drei Bereichen besteht: normal, akzeptabel und auffällig. Corona hat diese Bereiche vermischt bzw. neu definiert. Was ist „Normal“ in Bezug auf unser neues Leben nach der Krise? Wird „Normal“ neu definiert?  

Viele neue „Normalitäten“ müssen erst erlernt werden ,wie z.B. Schlange stehen in Indien , und da sie tief im indischen Wertesystem als nicht selbstverständlich bzw. „normal“ angesehen werden, werden diese „Praktiken“ höchstwahrscheinlich nach der Pandemie auch wieder verschwinden.

Hofstede bezeichnet den Kern der Kulturzwiebel als „allgemeine Neigungen, bestimmte Umstände vorzuziehen“. Das sind Werte, die einem nicht unbedingt bewusst sind und  dennoch tief im kulturellen Gedächtnis verankert sind. So wie beim Schneiden einer Zwiebel: je tiefer man reinschneidet, desto mehr tut es weh, werden bedeutende Themen um den Kern komplexer und widersprüchlicher.

Während der Pandemie haben sich folgende „Neigungen“ / Werte herauskristallisiert: Familienorientierung, Umwelt, Freiheit, Solidarität, Empathie, Vertrauen, Resilienz, Umgang mit Zeit, Planbarkeit oder Unsicherheiten, Digitalisierung, Innovationen, Bildung, neue Wege der Kommunikation. Ohne diese Tendenzen zu beWERTen, ist es trotzdem wichtig sie festzuhalten und Folgeentwicklungen mit Spannung zu beobachten.

Diese Themen kennen keine Landesgrenzen, sie finden Bedeutung auf allen Kontinenten, unabhängig von der jeweiligen Herkunft und kulturellen Prägung. Die Pandemie ist eine gewaltige Krise mit vielen traurigen und unwiderruflichen Folgen , aber besteht vielleicht eine kleine Chance auf eine bessere, verständnisvollere Kommunikation zwischen den Kulturen? Durch ein gemeinsames Erlebnis, durch ähnliche Herausforderungen während der Pandemie, können wir uns ein wenig näher werden? Mit mehr Toleranz und Empathie andere Menschen wahrnehmen? Nicht bewerten, sich nicht distanzieren (und wenn – nur physisch und vorübergehend)…

Corona hat uns mit unterschiedlicher Wucht in unterschiedlichen Ausgangslagen eingeholt. Vieles ist sicherlich nicht vergleichbar und doch gibt es viele Gemeinsamkeiten. Auf menschlicher Ebene, in der Wahrnehmung und Kommunikation.

Превращайте трудности в шансы, а противников в союзников.

Elena Budinstein
Cross-cultural expert, adviser, keynote speaker