Verhandlungen mit Russen

Allzu oft hört man solche Sätze: „mein Nachbar ist Russe, ein Freund meines Freundes ist auch Russe; ich war schon mal in Russland – mit denen kam ich immer gut aus!“, „sie ticken doch gar nicht sooo anders als wir!“

Verhandlungen mit Russen

Allzu oft hört man solche Sätze: „mein Nachbar ist Russe, ein Freund meines Freundes ist auch Russe; ich war schon mal in Russland – mit denen kam ich immer gut aus!“, „sie ticken doch gar nicht sooo anders als wir!“

Vorsicht: neben den Sprachkenntnissen sind die kulturellen Unterschiede in den Verhandlungen nicht zu vernachlässigen! In den deutsch-russischen Verhandlungen konfrontiert man oft mit einer vorurteilhaften Einstellung gegenüber russischen Verhandlungspartnern. „Die Bedingungen sind doch ganz klar und fair!“, „Sie profitieren ja auch davon!“, „Sie müssen doch happy sein, wenn wir mit denen zusammenarbeiten, was bleibt den sonst übrig“…

Vorsicht: Auf Augenhöhe verhandeln! Einen russischen Verhandlungspartner niemals unterschätzen oder von oben herab behandeln.

Denn die Russen sind für Ihren harten Verhandlungsstil bekannt! Sie spielen selten nach den international etablierten Verhandlungsregeln. Sie sind meistens stolze Menschen und nehmen Vieles persönlich.

Fairness in den Verhandlungen mit Russen? Immer noch begreifen die meisten Russen Verhandlungen als ein Wettbewerb, bei dem es immer nur einen Gewinner und einen Verlierer geben kann. Einige wenige weltoffene und international erfahrene Verhandlungspartner mögen sich zwar den internationalen Standards annähern, die Mehrheit der Russen betrachtet Fairness in den Verhandlungen für kaum möglich.

Ein Russe vertraut grundsätzlich keinem und doch spielt Vertrauen eine grundlegende Rolle in den Verhandlungen. Wie gewinnt man das Vertrauen eines russischen Geschäftspartners? Eine persönliche Empfehlung ist wie überall sehr wichtig! Vitamin „B“ Beziehungen in Deutschland – „Blat“ in Russland hat keiner in dem post-sowjetischen Russland abgeschafft!

Wichtig ist, dass die beiden Verhandlungspartner auf einer Hierarchieebene stehen und sich im Status wenig unterscheiden. Dabei wird ein aus dem Westen stammender Ausländer in Russland mit besonderem Respekt behandelt und bekommt automatisch ein Paar Pluspunkte auf der Hierarchieskala. Also kann ein westlicher Background gleich ein „Türöffner“ sein!

Um das Vertrauen mit dem künftigen Geschäftspartner herzustellen, muss man nicht entgegen vielen Klischees zusammen Vodka trinken. Diese Einstellung ist veraltet und kann bei einem modernen sportlichen Russen als völlig kontraproduktiv wirken. Allerdings sollte man nicht zu sachlich und direkt die Verhandlungen eröffnen. Eine freundliche angenehme und vertrauensvolle Atmosphäre kann man durch die Interessenbekundung an dem Gegenüber, seinem Land, seiner Stadt und den Schätzen von Russland schaffen. Bitte, unbedingt die Regeln für ein Smalltalk beachten: nicht zu kontrovers, persönlich oder bewertend klingeln.

Im modernen Russland und gerade in Moskau ist Zeit gleich Geld! Allerdings wird die Eile in Russland verpönt. „Wer eilt, macht sich zum Gespött der Leute“, - lautet ein russisches Sprichwort. Außerdem gibt es viele äußere Umstände, auf die man keinen Einfluss ausüben kann! Staus, lange Wege, familiäre Belange oder neuerschaffene Regularien. Viele Sachen werden umgekehrt im Handumdrehen entschieden und umgesetzt. Dies betrifft z.B. Personalentscheidungen, Organisationen von Events oder Anmietung einer Location. Hier denkt und handelt man in sehr kurzfristigen Zeiträumen. Das soll und kann von heute auf morgen passieren. Auch das „Langgeplante“ wird unter dem letzten Drücker gemacht und zum Erstaunen von Fremden wird es oft gut! Es empfiehlt sich also, die eigene Einstellung zu Zeit zu hinterfragen bzw. sich auf den russischen Partner zu verlassen.

Für die Verhandlungen gilt folgendes: Verhandlungen und gerade deren schriftlicher Part – der Vertrag an sich, der sehr detailliert und präzise gestaltet wird und vor jeglichen Eventualitäten schützen soll, können sehr langwierig werden und sogar nach anfänglich klaren Absichten mit der Zeit im Sande verlaufen… Man soll sich auf einen langen Verhandlungsweg einstellen und immer am Ball bleiben, damit der russische Counterpart nicht das Gefühl bekommt, dass Ihr Interesse mit der Zeit verflogen sei.

Überhaupt haben die Russen ihrerseits ganz klare Erwartungen von den Deutschen Geschäftspartnern: Pünktlichkeit, Genauigkeit und das Fehlen von Emotionen. Mit der Ausnahme des Letzten sollte ein russischer Geschäftspartner nicht enttäuscht werden.  Auch wenn man glaubt, dass die Russen sich zu einer Verabredung immer verspäten, soll man pünktlich zum Termin erscheinen. Man kann ebenfalls von der Pünktlichkeit der Russen überrascht werden.

Deadlocks in Verhandlungen mit Russen sind keine Seltenheit, denn Russen sind stur und verhandeln hart.

Die Stärke zeigt man durch Kompromisslosigkeit und Ausdauer. Es verlangt viel Geduld und Ruhe außerdem eindeutige Fakten und unschlagbare Argumente, um Russen von der eigenen Position zu überzeugen. Auch wenn eine Verhandlung abbricht, bedeutet es nicht immer das endgültige Scheitern. Vieles ist Schauspiel!

Der russische Kommunikationsstil wird grundsätzlich als ziemlich indirekt beschrieben. Das werden Sie kaum in den Verhandlungen mit Russen wahrnehmen. Umgekehrt ist es der Fall. Viele werden einen russischen Verhandlungspartner als sehr direkt, fast schon grob und unnachgiebig erfahren. Hart verhandeln ist eine Ehrensache; seinen Gegenüber „auffahren“, mit eigenen Argumenten bedrängen, vor den Kopf stoßen und sich kompromisslos zeigen – das sind die Strategien. Auf diese soll man gelassen reagieren, sich auf keinen Fall provozieren lassen und mit Argumenten arbeiten. Indirekt bleibt der Kommunikationsstil doch. Achten Sie auf den Tonfall, die Umgebung / Kontext, versteckte verbale und nonverbale Signale und zwar von allen an den Verhandlungen teilnehmenden Personen. „Guter Polizist vs. schlechter Polizist“ ist ein gängiges Verhandlungsspiel der Russen.

Um einen russischen Verhandlungspartner weich zu stimmen und die Verhandlungen in eine erfolgsversprechende Richtung zu lenken, sollte man dem Counterpart ein kurzfristiges Nutzen vor den Augen führen.  Mit langfristigen Aussichten kann man kaum überzeugen. „Wer weiß schon, was uns der Morgen bringt!“. Russen leben im Hier und einer sehr nahen Zukunft; eine Planung für das halbe Leben ist unüblich und kaum möglich, denn die politische, die wirtschaftliche Situation, die Gesetze, die Regelungen etc. ändern sich sehr oft und geben keine Basis für ein langzeitorientiertes Denken. Zu viele Krisen haben die meisten Russen, vor allem aber die ältere Generation, überlebt, zu viele Änderungen!  Vorteilhaft ist allerdings die damit einhergehende Flexibilität im Denken und Handeln.

Ein Rat zum Schluss: immer im Kontakt bleiben!  Auch nach der Verhandlung ist es wichtig, eine gute persönliche Beziehung zu den Entscheidungsmachern zu pflegen. Davon kann die Umsetzung des Projektes stark abhängen.

Gewappnet mit diesen Tipps soll es nun an den Verhandlungstisch gehen. Denn egal wie gut man vorbereitet ist, wird es ganz sicher anders laufen, als man geplant hat. Die praktischen Erfahrungen kann man nur durch das Handeln und den Mut sammeln.

Wenn Sie Ihre Erfahrungen in den Verhandlungen mit Russen mit mir teilen möchten oder eine spezielle Frage haben, woran z.B. eine Verhandlung scheitern könnte, schreiben Sie mir: elena@ebudinstein.com

Превращайте трудности в шансы, а противников в союзников.

Elena Budinstein
Cross-cultural expert, adviser, keynote speaker